autism-sensory-model

Ein multidimensionales Modell zur Erklärung autistischer Verhaltensmuster

Übersicht 1. Einleitung 2. Diagnostischer Nebel 3. Sensorik als Schlüssel 4. Emergente Muster 5. Forschung & Therapie 6. Neues Modell 7. Schluss

3. Sensorik als zentraler Schlüssel: Die unterschätzte Primärdimension

Was, wenn viele der Verhaltensweisen, die wir als „autistisch” bezeichnen, keine Störung an sich sind, sondern logische Anpassungsreaktionen auf eine abweichende sensorische Innenwelt?

Die zentrale These dieses Papiers lautet:

Reizempfindlichkeit – ihre Ausprägung, Art und Verarbeitungsdynamik – ist keine Randerscheinung autistischer Phänomene, sondern ihre primäre Triebkraft.

Menschen mit autistischer Diagnose berichten häufig von einer Welt, die zu laut, zu hell, zu unübersichtlich oder schlichtweg zu intensiv ist. Es sind keine “Eigenheiten”, sondern existenziell spürbare Realitäten: Neonröhren, die brennen wie ein Schweißgerät. Stoffe, die sich anfühlen wie Schleifpapier. Geräusche, die für andere kaum wahrnehmbar sind, aber das Nervensystem in Alarmbereitschaft versetzen.

Diese sensorische Welt ist nicht nur anders – sie ist prägend. Denn aus ihr heraus entstehen viele der beobachtbaren Merkmale:

Hinzu kommt: Die Art der Reizempfindlichkeit variiert stark – und zwar in mehrfacher Hinsicht:

Diese Unterschiede sind nicht zufällig, sondern spiegeln unterschiedliche neuronale Sensitivitäten wider – möglicherweise genetisch oder hormonell vermittelt. Was dabei auffällt: Obwohl die sensorischen Profile sehr individuell sind, entstehen immer wieder ähnliche Verhaltensmuster, als gäbe es bestimmte „Standardantworten” auf sensorische Überforderung.

Das legt den Gedanken nahe: Sensorische Empfindlichkeit erzeugt systematisch ähnliche Reaktionsmuster – nicht, weil die Menschen gleich sind, sondern weil das System Körper-Geist-Welt auf ähnliche Weise auf Überforderung reagiert. Und diese Reaktionsmuster sind es, die wir heute als „Autismus” bezeichnen.


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